Was ist „Malina“? Es handelt sich um den einzigen Roman von Ingeborg Bachmann. Die Frage nach dem Wesen von „Malina“ bleibt offen. Ist es möglicherweise ein Mann, der diesen eigenartigen Namen trägt, oder vielleicht (wie oft interpretiert wurde) das männliche Alter Ego des weiblichen Erzähler-Ichs? Dass es sich bei diesem, wenn auch namenlosen, um die Bachmann selbst handelt, hat niemand je bestritten.
Man hat das Buch als eine Autobiographie der anderen Art bezeichnet, zusammengesetzt aus Szenen, die Prosa, Dialoge, Briefe, Gedichte, Träume, Alpträume und weitere Genres umfassen. Es fügt sich programmatisch nie zu einer Einheit zusammen und erzählt nur bedingt eine Geschichte. Im Grunde handelt es sich um die Zustandsschilderung einer Seele, die wohl zur Qual geboren wurde.
Die Regisseurin Claudia Bauer, bekannt für ihren preisgekrönten, wenn auch amüsanten Jandl-Abend „humanistää!“, hat in ihrer Inszenierung für Ingeborg Bachmann nicht immer die richtigen Entscheidungen getroffen. Obwohl es anfangs überzeugend wirkt, wenn eine der Damen (insgesamt vier Damen und vier Herren, die als geschlossenes Ensemble „alles“ spielen) vor den Vorhang tritt und den berühmten Beginn des Romans rezitiert, wo die Erzählerin die Protagonisten vorstellt - "Ivan", "Malina" und "Ich" -, darf dies durchaus mit sanfter Ironie geschehen, wie im Text vorgesehen.
Worte und Sprache sind das Medium der Bachmann, und darauf hätte man sich konzentrieren sollen, um grob zu skizzieren, was die Autorin vor allem über die Beziehung zu Ivan erzählt hat. Aber von Hingabe an die Sprache kann nicht die Rede sein.
Die Regisseurin taucht ihre Inszenierung erstens in so viel Live-Musik, dass der Text die meiste Zeit nicht verständlich ist, und in so viele Videosequenzen (live und vorgefilmt), dass letztlich der Eindruck einer Show entsteht. Wer das Buch nicht kennt, hat kaum eine Chance, auch nur eine Ahnung davon zu bekommen. Die Videobilder, die unaufhörlich auf riesige Container auf der Bühne geworfen werden, beherrschen den Abend und ermüden sehr schnell. Und die Musical-Show? Diese muss jeden musikalischen Menschen in den Wahnsinn treiben, so sehr wird das meist kollektive Gesinge zur (wohl bewussten) Folter... Opfer sind, wie so oft, die großteils jeglicher Individualität beraubten Schauspieler.
Dabei wird die eine oder andere zentrale Szene des Buchs, wenn doch auf die Sprache geachtet wird, durchaus klar – wie Ivan etwa die Buchauswahl seiner „Ich“-Partnerin herunter macht, als negativ und destruktiv herabwürdigt. Oder wenn „Ich“ zwar keine Kochbücher findet, wenn sie denn kochen muss, aber die große philosophische Weltliteratur in ihre kulinarischen Bemühungen einflicht. Das ist Bachmann, komisch, aber natürlich auch ernst gemeint.
Doch es fehlt so manches – aus dem quälenden Mittelteil gibt es so kurz, dass es im allgemeinen Trubel versinkt, die Gaskammer-Ängste von „Ich“ und eine Andeutung des dominierenden Vaters, aber diese Auseinandersetzung geht unter, ebenso wie (nachdem Ivan ausführlicher abgehandelt wurde) Titelheld Malina kein Profil gewinnt. Inhaltlich bleibt die Bearbeitung unbefriedigend hinter der Vorlage zurück. Da wäre mehr zu berichten gewesen – und vor allem klarer.
Unheimlich die Vision, als es auf das Ende zugeht, die Idee, sie könne (hier auf einer Herdplatte) verbrennen. Einen ähnlichen Tod hatte das Schicksal zwei Jahre nach dem Erscheinen von „Malina“ für Ingeborg Bachmann bereit…
Am Ende bündelt die Regisseurin negative Aussagen zur Bachmann, die es zu ihren Lebzeiten stets, auch zu diesem Roman, gegeben hat, bevor die Bachmann zur angehimmelten, legendären Erscheinung wurde.
Schließlich tritt das weibliche Ich des Beginns wieder vor den Vorhang und überrascht die Kenner des Romans. Die so berühmt gewordene Schlusszeile „Es war Mord“ ist durch „Ich bin Malina“ ersetzt. Auch das überzeugt nicht besonders.
Was hat man zweieinviertel pausenlose Stunden lang gesehen? Zu viel Show bei zu wenig Text. Der Abend transportiert die Qualen der Bachmann in aller Schrille und hängt sie zentnerschwer dem Publikum um. Wer sich darauf einlassen will… Bei der Premiere gab es viel Beifall.